Verkauftes Kunstwerk nochmals herstellen?
Frage: Mich beschäftigt als bildende Künstlerin aus gegebenem Anlass die Frage, ob ich ein verkauftes Kunstwerk (große Eisenplastik im Aussenbereich) für eine andere Location (anderer Ort und Anlass, Abstand 3 jahre) nochmals herstellen und verkaufen kann oder ob mit dem ersten Verkauf (städtischer Ankauf) auch ein Exklusivrecht mitverkauft ist.
Hintergrund der Frage ist nicht, einen doppelten Gewinn aus einer Idee zu schlagen, sondern der Unterschied in der Aussage des Kunstwerks im veränderten Setting.
Der standort des verkauften Werkes ist nicht ideal und läuft der Aussage des Werkes zuwider (trotz Bemühens von beiden Seiten).
Nun hat sich in anderer Stadt ein Bedarf gezeigt an idealer Stelle und ich bin versucht, die Idee und Umsetzung anzubieten, da eine entsprechende Anfrage hierzu kam. Andersrum gefragt: kann eine Stadt einen Künstler mit der Kopie eines eigenen Werkes beauftragen, das an anderem Ort bekannt ist?
Ich bin kein mensch, der stagniert und ziehe die Überlegung in Betracht, eine abgewandelte Version zum aktuellen Standort zu entwerfen.
Dennoch würde es mich interessieren, ob meine frühere Arbeit (in einer zweiten Ausführung) eine Chance auf den „richtigen“ Standort hätte.
Ich stehe trotz der unbefriedigenden Standortlösung mit den ersten Käufern in einem sehr positiven Verhältnis, das ich nicht trüben möchte.
Antwort: Die Frage berüht nicht ausschließlich urheberrechtliche sondern auch vertragsrechtliche Aspekte.
Urheberrechtlich gesehen steht der Anfertigung eines zweiten Werkstücks der Eisenplastik nichts entgegen. Mit dem Verkauf eines Originalwerkstücks der bildenden Künste werden keine Urheberrechte übertragen, es sei denn, es wird ausdrücklich so vereinbart (§ 44 Abs. 1 UrhG). Mit dem Verkauf einer Sache wird der Verkäufer lediglich verpflichtet, dem Käufer das Eigentum an der Sache zu verschaffen (§ 433 Abs. 1 BGB). Eigentum an einem Werkstück und Urheberrechte daran sind voneinander zu trennen. Wenn man es ganz genau nimmt, kann das Urheberrecht überhaupt nicht veräußert werden, es können lediglich Nutzungsrechte an einem Werk vergeben werden (§ 31 Abs. 1 UrhG), das Urheberrecht bleibt aber zeitlebens beim Urheber (§ 29 Abs. 1 UrhG).
Vertragsrechtlich gesehen ist eine Differenzierung vorzunehmen. Die hier aufgeworfene Frage ist, ob die Künstlerin berechtigt ist, eine "Kopie" ihrer ersten Arbeit anzufertigen. Die Antwort sollte man zuerst im Vertrag suchen. Was wurde bei dem ersten Auftrag vereinbart? Enthält der Vertrag Regelungen dazu? Gibt es eine Exklusivitätsklausel? In der Regel wird dies nicht der Fall sein. Dann ist der Vertrag auszulegen. Dabei ist Wille der Parteien im Zeitpunkt der Vereinbarung zu ermitteln.
Wird eine Skulptur für einen öffentlichen Platz in Auftrag gegeben, liegt in der Regel ein Werkvertrag (siehe §§ 631 ff. BGB) vor. Im Regelfall wird der Besteller davon ausgehen, dass der Künstler ein Unikat herstellt, und keine Kopie liefert. Das war hier auch der Fall gewesen.
Da mit dem Werkvertrag keine urheberrechtlichen Nutzungsbefugnisse übertragen werden, ist der Künstler frei, Kopien des Werkes herzustellen und zu verkaufen. Wenn wir von Kopien sprechen, meinen wir Vervielfältigungsstücke im Sinne des § 16 UrhG. Das sind zum Beispiel Fotos, Postkarten oder sonstige Vervielfältigungsstücke eines Orignials. Allerdings geht es hier nicht darum, Vervielfältigungsstücke dieser Art herzustellen. Die Plastik soll ein zweites Mal hergestellt werden. Es geht um Rekreation, nicht um Reproduktion.
Eine Rekreation kann das ursprüngliche Vertragsverhältnis insofern beeinträchtigen, dass dadurch der Vertragszweck - die Bestellung eines Unikats - nachträglich vereitelt wird. Zwar bleibt durch die Rekreation die erste Arbeit weiterhin ein Unikat, denn es ist nicht anzunehmen, dass durch die Rekreation ein absolut identisches Werkstück geschaffen wird. Selbst wenn dies möglich wäre, dann hätten wir 2 Unikate des gleichen Werkes, denn ein eigenhändig erschaffenes Werk der bildenden Künste stellt immer ein Original dar. Trotzdem kann es hier grundsätzlich zu einer Vertragsstörung kommen. Ein Beispiel: jemand kauft eine Radierung, wobei der Druck in einer Auflage von 6 Exemplaren erschienen ist. Dies ist auch auf der Rückseite des Siebdrucks vermerkt. Der Käufer zahlt einen entsprechend hohen Preis, der durch die starke Limitierung gerechtfertigt ist. Nun entschließt sich der Künstler, weitere 10 Exemplare der gleichen Arbeit zu drucken, und verkauft sie ebenfalls. Die ehemals auf 6 Drucke limitierte Auflage wurde erweitert, und das einzelne Exemplar wird dadurch abgewertet.
Vorliegend stellt sich dieses Problem allerdings nicht, da beabsichtigt ist, eine Bearbeitung (§ 3 UrhG) der ursprünglichen Plastik anzufertigen. Es entsteht also ein neues Werk, das zwar auf dem alten Werk aufbaut, aber mit diesem nicht identisch ist. In diesen Fall ensteht auch keine Vertragsstörung, weil der Wert der ursprünglichen Arbeit durch die Bearbeitung nicht beeinträchtigt wird. Sie bleibt als Zeugnis einer frühreren Schaffensphase des Künstlers für sich ebenso bedeutsam wie die Bearbeitung. Hinzu kommt, dass hier beide Parteien sich einig waren, dass der für die Skulptur gewählte Standort nicht optimal war. Deshalb muss es dem Künstler unter Berufung auf seine Kunstfreiheit (Art. 5 GG) möglich sein, sich und sein Werk zu verwirklichen.
Eine andere Frage ist die Beziehung der Künstlers zu dem ursprünglichen Käufer. Hier geht es weniger um eine rechtliche Frage, sondern um eine Frage der Kommunikation. Es wäre sicher empfehlenswert, um eine gute Verbindung aufrecht zu erhalten, wenn der ursprüngliche Käufer von dem Vorhaben zumindest informiert wird. Er könnte sich vor den Kopf gestoßen fühlen, wenn er von der neuen Umsetzung des Werkes aus der Presse oder von Dritten erfährt, anstatt von dem Künstler selbst aus erster Hand eingeweiht zu werden.
Berlin, 13. März 2021.