§ 3 UrhG - Bearbeitungen
Übersetzungen und andere Bearbeitungen eines Werkes, die persönliche geistige Schöpfungen des Bearbeiters sind, werden unbeschadet des Urheberrechts am bearbeiteten Werk wie selbständige Werke geschützt. Die nur unwesentliche Bearbeitung eines nicht geschützten Werkes der Musik wird nicht als selbständiges Werk geschützt.
I. Systematik
§ 3 UrhG wird durch die §§ 23, 16 und 24 UrhG ergänzt. Weiterhin sind die §§ 39 und 62 UrhG zu beachten. Während § 3 UrhG den Schutz des Bearbeiters garantiert, schützt § 23 UrhG die Interessen des Urhebers des bearbeiteten Werkes. Beide Vorschriften stellen klar, dass ein Werk und dessen Bearbeitung in der Form der Bearbeitung auch rechtlich eine unzertrennliche Einheit bilden. Weder der Urheber des bearbeiteten Werkes noch der Urheber der Bearbeitung können das Werk ohne die Zustimmung des anderen einer Verwertung zuführen. § 23 Abs. 1 Satz 2 UrhG stellt klar, dass das Urheberrecht des bearbeiteten Werkes seine Grenzen hat.
§ 23 Abs. 1 Satz 2 UrhG grenzt die Bearbeitung von der sogenannten freien Benutzung ab (auch "Neugestaltung" genannt). Diese Abgrenzung ist entscheidend für die Rechte an dem neu entstandenen Werk, während die Bearbeitung ein unlösliches Band mit Ursprungswerk verbindet, ist die Neugestaltung frei - mag sie auch von dem Ursprungswerk inspiriert sein, auf rechtlicher Ebene besteht keinerlei Verbindung zwischen dem 'Original' und der freien Benutzung. Der Urheber der freien Benutzung kann sein Werk ohne Einschränkung verwerten.
§ 16 UrhG nimmt eine Abgrenzung in die entgegengesetzte Richtung vor. Alle Abwandlungen eines Werkes, die nicht den Grad einer persönlichen geistigen Schöpfung erreichen, unterliegen als bloße Vervielfältigungen allein dem Recht des Urhebers. Das gilt auch für sogenannte andere Umgestaltungen im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1.
Daraus ergibt sich eine Einteilung in 1. Vervielfältigungen (§ 16 UrhG), deren Rechte allein beim Originalurheber liegen, 2. Bearbeitungen (§§ 3 und 23 Abs. 1 Satz 1 UrhG), deren Rechte sowohl beim Originalurheber als auch beim Bearbeiter liegen, und 3. freie Benutzungen (§ 23 Abs. 1 Satz 2 UrhG), deren Rechte allein beim Urheber der freien Benutzung liegen. Die Rechte des Originalurhebers an seinem (unveränderten) Ausgangswerk bleiben in jedem Fall unberührt. Will der Originalurheber jedoch eine Bearbeitung oder eine freie Benutzung seines Werkes verwerten, Bedarf er das Einverständnis des Urhebers der veränderten Werkfassung bzw. der freien Benutzung. Der Bearbeiter kann wiederum die Bearbeitung nicht ohne des Einverständnisses des Originalurhebers verwerten, § 23 Abs. 1 UrhG.
II. Begriff und Abgrenzung
Eine Bearbeitung ist ein Werk i.S.d. § 2 Abs. 2 UrhG, also eine persönliche geistige Schöpfung, die unter Verwendung des Ursprungswerkes geschaffen wird, wobei der individuelle Charakter des verwendeten Werkes erkennbar bleibt. Der Werkcharakter ist somit gleichzeitig Voraussetzung für eine Bearbeitung. Ob die jeweils zu beurteilende Leistung, die unter Verwendung des vorbestehenden Werkes erbracht wird, die Höhe einer persönlichen geistigen Schöpfung erreicht, ist nach den Grundsätzen des § 2 UrhG zu beurteilen.
Eine Bearbeitung greift ein bestehendes Werk auf und fügt diesem etwas hinzu, wodurch beide Beiträge miteinander zu einer neuen Form oder zu einem neuen Inhalt verschmelzen. Die beiden Leistungen, die zu der Bearbeitung führen, können nachträglich nicht wieder voneinander getrennt werden, wie dies etwa bei verbundenen (oder auch zusammengesetzten) Werken i.S.d. § 9 UrhG möglich ist. Eine derartige Verschmelzung tritt ebenfalls ein, wenn zwei Urheber ein Werk in Miturheberschaft (§ 8 UrhG) kreieren. Miturheber schaffen jedoch ein Werk innerhalb eines Schaffensprozesses gemeinsam, während bei der Bearbeitung bereits ein Werk besteht, auf das in einem weiteren zweiten Schaffensprozess aufgebaut wird. Eine Bearbeitung kann auch von dem Urheber des Ausgangswerkes hergestellt werden. In diesem Fall sind die Rechte der Bearbeitung und des bearbeiteten Werkes in der Hand eines Urhebers.
Die Bearbeitung ist mehr als eine bloße Vervielfältigung (§ 16 UrhG). Auf der anderen Seite ist sie von der Neugestaltung im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 2 UrhG zu unterscheiden. Die Neugestaltung unterscheidet sich von der Bearbeitung dadurch, dass in der Neugestaltung zu dem Ursprungswerk ein derartiger Abstand besteht, der es in den Hintergrund treten und dessen individuellen Züge verblassen lässt (vgl. BGH ZUM 1999, 647 f.). Dieses sogenannte "Abstandskriterium" hat im Rahmen der Urheberrechtsreform 2021 Eingang in die Regelung des § 23 gefunden.
Eine Bearbeitung kann sowohl durch eine Veränderung des Inhalts als auch der Form des bearbeiteten Werkes erfolgen. Beispiele für eine inhaltliche Bearbeitung sind etwa die Übersetzung eines Buches oder Filmes in eine andere Sprache oder die Improvisation eines Werkes der Musik, die der ursprünglichen Melodie einen neuen Charakter verleiht. Eine Bearbeitung der Form findet in der Regel statt, wenn das Werk einer bestimmten Kategorie in eine andere, verwandte Kategorie transformiert wird, wie die Verfilmung eines Romans, die Umsetzung einer Fotografie mit malerischen Mitteln oder die Umwandlung bildlicher Objekte von der zweiten in die dritte Dimension und umgekehrt. Wird ein Werk in eine völlig andere, wesensfremde Kategorie transformiert, liegt für gewöhnlich keine Bearbeitung sondern eine Neugestaltung i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 2 UrhG vor. So etwa wenn ein Gedicht in ein Gemälde oder ein Gemälde in ein Theaterstück umgewandelt werden.
III. Bearbeiterurheberrecht
Der Bearbeiter ist mit einem eigenen Urheberrecht ausgestattet. Dieses Urheberrecht ist vollwertig wie jedes andere Urheberrecht. Der Bearbeiter ist ein Urheber, er kann das Werk verwerten und hat die Rechte, die dem Urheberpersönlichkeitsrecht entspringen. Er kann vor allem andere, einschließlich des Urhebers des Ursprungswerkes, von der Nutzung ausschließen. Das Besondere bei einer Bearbeitung ist, dass diese Teile eines anderen Werkes beinhaltet. Deshalb ist der Bearbeiter bei der Veröffentlichung und Verwertung an das Einverständnis des Urhebers des Ursprungswerkes bzw. dessen Rechtsnachfolger gebunden, soweit ein Urheberrecht am Ursprungswerk noch besteht. Umgekehrt kann der Urheber des Ursprungswerkes die Bearbeitung nur verwerten oder veröffentlichen, wenn ihm der Bearbeiter dies gestattet. Die Bearbeitung kann also von der jeweiligen Seite nur im Einvernehmen des anderen verwendet werden.
Dem 'Originalurheber' bleibt es übelassen, sein Werk in der ursprünglichen, nicht bearbeiteten Form nach Belieben zu verwenden, darauf kann der Bearbeiter selbstverständlich keinen Einfluss nehmen.
Das Bearbeiterurheberrecht bezieht sich nur auf den Teil der Bearbeitung, den der Bearbeiter hinzugefügt hat. Ausgeschlossen von dem Schutz bleibt das Ursprungswerk. Soweit an diesem noch ein Urheberrecht besteht, ist allein dessen Inhaber geschützt. Wenn an dem Ursprungswerk kein Urheberrecht mehr besteht, so bleibt der entlehnte Teil der Bearbeitung weiterhin gemeinfrei. Der Bearbeiter kann einer Verwendung dieses Teils nicht entgegentreten, anderenfalls könnten die ohnenhin schon überaus langen Schutzfristen in den Bestimmungen der §§ 64 UrhG ff. unterlaufen werden. Dies hätte nicht nur Nachteile für die Allgemeinheit, die in der Benutzung gemeinfreier Werke eingeschränkt würde, sondern Nachteile für Kunst, Literatur und Wissenschaft im Ganzen, denn der Großteil intellektueller Leistungen baut auf bereits Bestehendem auf. Jeder kreative Geist ist auf das Anknüpfen an Ideen aus der Geschichte sowie der Gegenwart angewiesen. Niemand schöpft aus dem Nichts heraus; jeder Meister hat seinen Lehrer; um kreativ zu sein braucht man Vor-Bilder. Die Bearbeitung ist ein wichtiges Instrument, um sich mit anderen Ideen auseinanderzusetzen, Kontexte aufzuzeigen, zu experimentieren und Neues zu entwickeln.
IV. Ausnahmeregelung für Musikwerke nach Satz 2
Die Bestimmung wurde im Jahre 1985 eingefügt mit dem Ziel des Schutzes deutscher Volksmusik. Sie ist im Urheberrecht so überflüssig wie ein Kropf und gehört ersatzlos gestrichen, nicht zuletzt aufgrund ihrer Unvereinbarkeit mit der Kunstfreiheit. Der Gesetzgeber wollte erreichen, dass Entlehnungen aus dem Volksmusikschatz als Allgemeingut nur dann selbstständig schutzfähig sein sollten, wenn sie deutlich über dessen Rahmen hinausgingen. Durch die Regelung in Satz 2 werden somit höhere Anforderungen an die Schöpfungshöhe gestellt.
Eine Bearbeitung ist unwesentlich, wenn in ihr das überlieferte melodische, harmonische und rhythmische Grundmuster des benutzten Werkes erhalten bleibt (vgl. BT-Drucks. 10/3360, S. 18). Schon die Änderung eines dieser Kriterien, soweit dadurch auch das Gesamtmusikbild merklich verändert wird, schließt die Anwendbarkeit der Regelung aus (Dreyer in HK-UrhR, § 3 Rn. 31).