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§ 51a Karikatur, Parodie und Pastiche


Zulässig ist die Vervielfältigung, die Verbreitung und die öffentliche Wiedergabe eines veröffentlichten Werkes zum Zweck der Karikatur, der Parodie und des Pastiches. Die Befugnis nach Satz 1 umfasst die Nutzung einer Abbildung oder sonstigen Vervielfältigung des genutzten Werkes, auch wenn diese selbst durch ein Urheberrecht oder ein verwandtes Schutzrecht geschützt ist.

Paranoia - Hommage an A. Dürer

Paranoia - Hommage an A. Dürer [Venus-Remix]

I. Definition und Vorgeschichte

§ 51a UrhG ist am 07.06.2021 in Kraft getreten und beruht auf der Richtlinie (EU) 2019/790 vom 17. April 2019 und wurde in deren Umsetzung in das deutsche Urheberrecht aufgenommen. So erhält es erstmals eine ausdrückliche Schrankenregelung für Parodien, Karikaturen und Pastiches, um transformative Nutzungen zu gestatten und somit einen Interessenausgleich zwischen den Inhabern von Rechten an bestehenden Werken und denjenigen, die auf Grundlage dieser vorbestehenden Werke Neues schaffen, zu gewährleisten (BT-Drs. 19/27426, 89; LG München I, Urteil v. 20.06.2022 – 42 S 231/21). Der Gesetzgeber erachtet Parodien, Karikaturen und Pastiches als fester Bestandteil europäischer Kultur.

Der Pastiche wurde im Gesetz direkt hinter dem Zitat (§ 51 UrhG) eingefügt. Schon diese räumliche Nähe lässt die Verwandschaft des Pastiches (und seiner Unterkategorien Parodie und Karikatur) mit dem Zitat erkennen.

Schon lange Zeit, bevor es das Urheberrecht gab, waren Zitate, Parodien, Karikaturen und Pastiches verbreitet. Sie sind Sinnbild der elementaren Natur des Geistes. Der Geist verlangt nach Ausdruck und mit dem Ausdruck entsteht Kommunikation. Der Ausdruck des Geistes erschafft Eindrücke, die vom Geist verarbeitet werden und Ausdruck in neuen Formen finden. Dem Urgeist ist das Urheberrecht in gewisser Hinsicht ein Fremdkörper, denn es legt der sprudenden Quelle des Geistes insofern Ketten an, als es den Ausdruck reglementiert, sobald darin "fremde" Werke verarbeitet wurden. In der Natur ist der (Ur- oder Welten-)Geist allgegenwärtig und verbindet alle Wesen der gesamten Schöpfung miteinander. In unserer modernen Welt mag der Glaube an den individuellen Geist verbreitet sein, aber dem aufmerksamen Beobachter wird es nicht entgehen, dass der Geist eine universelle, allen Wesen gemeine Sprache spricht, weshalb die Idee eines Universalgeistes, mit dem jedes Teilchen des bekannten Universums verbunden ist, um so vieles überzeugender erscheint als die Idee vom Individuum. Die Größe des Universalgeistes wird bestimmt durch die Summe seiner Teilchen, und in diesem Kontext ist die Bedeutung des Individuums zu verstehen. Somit ist jedes Werk im Sinne des Urheberrechts nicht nur Ausdruck des individuellen Geistes seines Schöpfers, sondern auch Ausdruck des allumfassenden Weltengeistes, an dem der Urheber teilhat. In diesem Sinne ist auch die Notwendigkeit der §§ 51 und 51a UrhG zu verstehen, denn durch die Bezugnahme wird Ausdruck überhaupt erst möglich gemacht.

Die herausragende Bedeutung wird dadurch belegt, dass die bekanntesten Formen des Pastiche, allen voran die Parodie, seit jeher anerkannt sind, und in der Rechtsprechung als Nutzungsform priveligiert waren, lange bevor nun im Wege der Harmonisierung des europäischen Urheberrechts § 51a UrhG eingeführt wurde. Neu ist allerdings, dass die Nutzung von Parodien, Karikaturen und Pastiches ab sofort vergütungspflichtig ist (§ 5 Abs. 2 UrhDaG). Da Parodien, Pastiches und Karikaturen der Meinungs- und Kunstfreiheit dienen, ist es höchst zweifelhaft, ob die Vergütungspflicht mit den genannten Grundrechten vereinbar ist. Bereits heute besteht ein enormes Ungleichgewicht aufgrund herrschender Machtverhältnisse in Presse und Rundfunk, wo einige wenige Familien eine erschreckende Mehrheit der Medien kontrollieren. Die sozialen Netzwerke bilden das einzige nennenswerte Gegengewicht. Die bislang freie Meinungsäußerung nun von einer Vergütungspflicht abhängig zu machen, verschärft somit das bestehende Ungleichgewicht zusätzlich und sollte ersatzlos gestrichen werden. Dabei kann es keine Rolle spielen, dass die Vergütungspflicht die Plattformbetreiber sozialer Netzwerke trifft, und nicht die Nutzer. Denn diese sind zumindest mittelbar von der Vergütungspflicht betroffen. Zudem kann die Vergütungspflicht das Entstehen neuer sozialer Netzwerke behindern und stellt eine erhebliche Markteintrittsschranke dar, was im Umkehrschluss eine künstliche Verknappung frei zugänglicher sozialer Netzwerkstrukturen herbeiführt.

Die Rechtsprechung hatte die Parodie (ebenso wie die Karikatur) früher als Erscheinungsform der freien Benutzung (§ 24 a.F. UrhG) eingeordnet. Eigentlich ist die Parodie jedoch ihrem Wesen nach keine freie Benutzung, sondern eine Bearbeitung (§ 23 UrhG), weil sie von der Erkennbarkeit des parodierten Werkes lebt. Würden die Wesenszüge des parodierten Werkes in der Parodie verblassen, wie es für eine freie Benutzung charakteristisch ist, dann bestünde die Gefahr, dass das Publikum das parodierte Werk nicht mehr erkennt und somit die Parodie ihren Zweck verfehlt. Diese hinkende Konstruktion, welche die Rechtsprechung ins Leben gerufen hatte, ist nun obsolet, und Parodie, Karikatur und Pastiche sind ihrem Wesen nach zutreffend im Bereich der Urheberrechtsschranken (§§ 44a ff. UrhG) geregelt worden. Der Gesetzgeber hat dazu ausgeführt: "Die Vorschrift zur ´freien Benutzung´ (§ 24 UrhG) wird aufgehoben. Die gesetzlichen Erlaubnisse für Karikaturen, Parodien und Pastiches sind künftig ausdrücklich in § 51a UrhG-E geregelt, auf den auch § 5 UrhDaG-E Bezug nimmt. Die Funktion des § 24 UrhG als Schutzbereichsbegrenzung übernimmt künftig § 23 UrhG-E." (BT-Drucks. 19/27426 S. 3).

Als Pastiche versteht man ein Werk, das auf anderen kreativen Leistungen aufbaut, in dem es ein oder mehrere Werke in neuen Variationen darstellt. Das Wort kommt aus dem Französischen und bedeutet Nachahmung. Der Pasticcio taucht etwa ab dem 17. Jahrhundert in der italienischen Musikwelt auf, damit sind Werke beschrieben, die verschiedene Musikstücke in neuer Form kombinieren, indem sie z.B. verschiedene Ausschnitte aus Opern für eine Aufführung zusammenzustellen oder eine Arie aus der einen Oper in eine andere Oper zu übernehmen (Georg Fischer, Wie der „Pastiche“ ins Urheberrecht kam und was er für das kreative Schaffen bedeutet). Es wird bereits an dieser Stelle deutlich, dass der Begriff sehr offen ist. Dieses Verständis macht es schwierig, das Pastiche von der Bearbeitung im Sinne der §§ 3 und 23 UrhG abzugrenzen. Über die bloße Bearbeitung hinaus muss also ein zusätzliches Element vorhanden sein, ähnlich wie beim Zitat, was sich in erster Linie durch seinen Zitatzweck auszeichnet. Die Parodie und die Karikatur können als Unterkategorien des Pastiches verstanden werden. Bei der Karikatur und bei der Parodie besteht der Zweck darin, ein Werk oder eine (natürliche oder fiktive) Person "auf die Schippe zu nehmen". Die Hommage, welche als Ehrerbietung an ein Werk oder an einen Künstler oder Autor verstanden wird, wird ebenfalls der Kategorie des Pastiches zugeordnet. Eine Hommage findet oft Ausdruck in der Imitation des Stils des Vorbildes, dem die Hommage gewidmet ist. Insofern bedarf es keiner Schranke des Urheberrechts, deshalb erlaubt der Pastiche im Kontext des Artikels 5 Absatz 3 Buchstabe k InfoSoc-RL über die Imitation des Stils hinaus grundsätzlich auch die urheberrechtlich relevante Übernahme fremder Werke oder Werkteile (LG Berlin, Urteil vom 02.11.2021 - 15 O 551/19).

Der Pastiche muss eine Auseinandersetzung mit dem vorbestehenden Werk oder einem sonstigen Bezugsgegenstand erkennen lassen (LG Berlin, Urteil vom 02.11.2021 - 15 O 551/19), zum Beispiel in kritischer, satirischer oder künstlerischer Form. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Gerichtshofs der Europäischen Union setzt das Eingreifen der Schranke von Parodien, Karikaturen und Pastiches wegen der insoweit maßgeblichen unionsrechtskonformen Auslegung nicht (mehr) voraus, dass durch die Benutzung des fremden Werkes eine persönliche geistige Schöpfung in Sinne des § 2 Abs. 2 UrhG entsteht (vgl. BGH ZUM 2016, 985 Rn. 28 – auf fett getrimmt); in Abgrenzung zum unzulässigen Plagiat muss das ältere Werk allerdings so benutzt werden, dass es in veränderter Form erscheint (OLG Hamburg, Urteil vom 28.4.2022 – 5 U 48/05). Dazu reicht es aus, dem Werk andere Elemente hinzuzufügen oder das Werk in eine neue Gestaltung zu integrieren (LG Berlin, Urteil vom 02.11.2021 - 15 O 551/19). Im Fall der hier zitierten Entscheidung des LG Berlin ging es um eine in der zeitgenössischen Kunst sehr verbreitete Methode, einem Werk entlehntes Bildmaterial als Bestandteil hinzuzufügen, in diesem Fall diente das benutzte Werk zur Gestaltung des Hintergrundes. Es besteht jedoch auch die Möglichkeit, andere Elemente einem Werk hinzuzufügen, zum Beispiel einzelne Figuren, die sich sodann in ein Gesamtbild einfügen (siehe dazu den Fall Hommage an Velazquez).

II. Abgrenzung

Da der Pastiche, wie bereits festgestellt wurde, ein sehr offener Begriff ist, bedarf es der Abgrenzung des Anwendungsbereiches des § 51a UrhG.

Bevor wir dazu kommen, müssen wir allerdings den jeweiligen Pastiche einordnen entweder als (unfreie) Bearbeitung oder als freie Benutzung im Sinn des § 23 UrhG. Wenn es sich um eine freie Benutzung handelt, dann bedarf es der Regelung des § 51a UrhG überhaupt nicht mehr, denn freie Benutzungen sind grundsätzlich erlaubt und frei und unabhängig von Rechten der Urheber, deren Werk als Inspiration gedient hat. Die freie Benutzung ist gleichermaßen wie der Pastiche Ausdruck des Grundrechts der Kunstfreiheit (Art. 5 Abs. 3 GG).

Als freie Benutzung sind zum Beispiel die häufig im Bereich der Hommage anzutreffenden Stilimitationen einzuordnen. Denn der Stil eines Künstlers oder eine bestimmte Technik sind als solche urheberrechtlich nicht geschützt. Geschützt ist immer nur die konkrete Ausdrucksform, welche sich in einem Werk manifestiert.

Das gleiche gilt für bloße Ideen. Ideen sind urheberrechtlich nicht geschützt und können frei benutzt werden. Lediglich die konkrete Umsetzung einer Idee ist urheberrechtlich geschützt und darf nicht ohne Berechtigung (i.S.d. §§ 31 ff. und der §§ 44a ff. UrhG) nachgeahmt werden.

Eine Collage kann sowohl in den Bereich der Bearbeitung als auch der freien Benutzung fallen. (zur Abgrenzung von Bearbeitung und freier Benutzung in der Kommentierung zu § 23 UrhG).

Parodien und Karikaturen fiktiver Personen fallen in der Regel in den Bereich der unfreien Bearbeitung und damit in den Anwendungsbereich des § 51a UrhG. Karikaturen lebender Personen sind keine Anlehnung an ein vorbestehendes Werk, denn das Abbild einer Person ist kein Werk, folglich nicht durch das Urheberrecht, sondern vielmehr durch das Persönlichkeitsrecht der abgebildeten Person geschützt. Das Grundrecht der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) schränkt das Persönlichkeitsrecht jedoch ein, sodass die Karikatur auch in dieser Hinsicht erlaubt ist.

Um sie vom unzulässigen Plagiat abgrenzen zu können, müssen Parodien, Karikaturen und Pastiches wahrnehmbare Unterschiede zum Originalwerk aufweisen, ein Verblassen des Originalwerkes ist jedoch nicht erforderlich (BT-Drs. 19/27426, 90; LG Berlin, Urteil vom 02.11.2021, 15 O 551/19; OLG Hamburg, 28.04.2022, 5 U 48/05). Dem unter die Schrankenbestimmung des § 51a UrhG fallenden Werken muss eine gewisse Eigenständigkeit zukommen, die es rechtfertigt, sie als selbständig gegenüber dem benutzten Originalwerk anzusehen (LG München I, Urteil v. 20.06.2022 – 42 S 231/21).

Die Nutzung des vorbestehenden Werkes muss einer inhaltlichen oder künstlerischen Auseinandersetzung des Nutzers mit dem Werk oder einem anderen Bezugsgegenstand dienen und im konkreten Fall ist stets ein angemessener Ausgleich zwischen den Interessen des betroffenen Rechtsinhabers und denen des Nutzers zu gewährleisten, wobei sämtliche Umstände des Einzelfalls, wie etwa der Umfang der Nutzung der jeweilige Zweck zu berücksichtigen sind (BT-Drs. 19/27426, 90; LG München I, Urteil v. 20.06.2022 – 42 S 231/21)).

Weil § 51a UrhG der Verwirklichung der Meinungs- und Kunstfreiheit dient, ist ein Mindestmaß eigener Kreativität erforderlich, ohne dass dabei die für eine Urheberrechtsschutzfähigkeit erforderliche Schöpfungshöhe erreicht werden muss (Hofmann, GRUR 2021, 895 898; Spindler, WRP 2021, 1111, 1116; LG München I, Urteil v. 20.06.2022 – 42 S 231/21)).

III. Umfang der Regelung

Unklar und nach wie vor umstritten ist die Frage, wie weit die Kunstfreiheit geht und welche Arten von Nutzungen vom neuen § 51a UrhG umfasst sind. Der Gesetzgeber ist insofern erstaunlich großzügig und eröffnet den Anwendungsbereich auch auf besonders heftig umkämpfte Anwendungsfälle, wie dem Sampling:

"Demnach gestattet insbesondere der Pastiche, nach § 5 Absatz 1 Nummer 2 UrhDaG-E bestimmte nutzergenerierte Inhalte (UGC) gesetzlich zu erlauben, die nicht als Parodie oder Karikatur zu klassifizieren sind, und bei denen im Rahmen der Abwägung von Rechten und Interessen der Urheber und der Nutzer ein angemessener Ausgleich gewahrt bleibt. Zitierende, imitierende und anlehnende Kulturtechniken sind ein prägendes Element der Intertextualität und des zeitgemäßen kulturellen Schaffens und der Kommunikation im „Social Web“. Hierbei ist insbesondere an Praktiken wie Remix, Meme, GIF, Mashup, Fan Art, Fan Fiction oder Sampling zu denken. Das Unionsrecht begründet die Pflicht zur Einführung der nun in § 51a UrhG-E verankerten Erlaubnisse in Artikel 17 Absatz 7 Unterabsatz 2 DSM-RL und ErwG 70 DSM-RL ausdrücklich mit dem Schutz der Meinungs- und Kunstfreiheit." (BT-Drucks. 19/24726, S. 91).

Am meisten umstritten dürfte der Bereich des Samplings sein. Sampling ist eine Technik, die grundlegend und charakteristisch für komplette Musik-Genres ist, insbesondere solche, die in der Zeit entstanden sind, in der Tonträger die Welt eroberten und DJs begannen, das Potential von Vinyl-Platten auszuschöpfen, zuerst in Amerika bestimmend für Rap und Hip-Hop, später in Europa im Rahmen der Techno-Bewegung. Samples sind in diesen Bereichen überhaupt nicht wegzudenken. Samples sorgen dafür, dass mitunter komplette Songs mit kleinen Ausschnitten aus vorbekannten Werken unterlegt werden. Dabei wird jedoch ein völlig neues und mit dem Original nicht vergleichbares Werk geschaffen. Im Bereich der elektronischen Musik dient die Übernahme von Samples nicht selten als Hommage, zum Beispiel sind die Doors und deren Sänger Jim Morrison ein beliebtes Thema, welches DJs zum Sampling anregt.

Sampling ist auf der anderen Seite Gegenstand eines schon mehr als 20 Jahre (!) andauernden Rechtstreits um ein gerade einmal 2 Sekunden (!!) langes Sample, das dem Song "Metall auf Metall" der deutschen Band "Kraftwerk" entnommen wurde. Der Rechtstreit beschäftigte neben dem LG Hamburg und dem OLG Hamburg mehrmals den Bundesgerichtshof, das Bundesverfassungsgericht und den Europäischen Gerichtshof. Während der Bundesgerichtshof ursprünglich die Auffassung vertrat, das bereits die Verwendung "kleinster Tonfetzen" das Recht der Tonträgerhersteller verletze, korrigierte das Bundesverfassungsgericht diese Rechtsprechung zugunsten der Kunstfreiheit. In den amtlichen Leitsätzen der Entscheidung heißt es dazu:

"Die von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geforderte kunstspezifische Betrachtung verlangt, die Übernahme von Ausschnitten urheberrechtlich geschützter Gegenstände als Mittel künstlerischen Ausdrucks und künstlerischer Gestaltung anzuerkennen. Steht dieser Entfaltungsfreiheit ein Eingriff in Urheber- oder Leistungsschutzrechte gegenüber, der die Verwertungsmöglichkeiten nur geringfügig beschränkt, so können die Verwertungsinteressen der Rechteinhaber zugunsten der Kunstfreiheit zurückzutreten haben ... Der Schutz des Eigentums kann nicht dazu führen, die Verwendung von gleichwertig nachspielbaren Samples eines Tonträgers generell von der Erlaubnis des Tonträgerherstellers abhängig zu machen, da dies dem künstlerischen Schaffensprozess nicht hinreichend Rechnung trägt." (Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 31. Mai 2016, - 1 BvR 1585/13).

Diese vorsichtige Öffnung des Sampling Bereichs wurde jedoch vom Europäischen Gerichtshof wieder in Frage gestellt. Obgleich auch der Europäische Gerichtshof die Notwendigkeit betont, Nutzungen fremder Leistungen im Lichte der Grundrechte der Kunst- und Meinungsfreiheit zu ermöglichen, möchte er Sampling nur zulassen, wenn ein "Fragment in den anderen Tonträger in geänderter und beim Hören nicht wiedererkennbarer Form eingefügt wird". Gleichzeitig stellt er fest, "dass die Technik des ´Elektronischen Kopierens von Audiofragmenten´ (Sampling), bei der ein Nutzer – zumeist mit Hilfe elektronischer Geräte – einem Tonträger ein Audiofragment entnimmt und dieses zur Schaffung eines neuen Werks nutzt, eine künstlerische Ausdrucksform ist, die unter die durch Art. 13 der Charta geschützte Freiheit der Kunst fällt." (EuGH Urteil vom 29.07.2019 - C-476/17. Hier wird deutlich, dass die Richter offenbar nur eine geringe Vorstellung davon haben, was Sampling eigentlich bedeutet. Denn die Wiedererkennbarkeit von Samples ist nicht selten ein Charakteristikum dieser Technik und stellt in vielen Fällen eine bewusste Bezugnahme dar, in der Form des Zitats, des Pastiches, aber auch der Parodie und der Karikatur. Nicht nur andere Musikwerke dienen als Quelle, auch Sprachwerke sowie Film und Fernsehaufnahmen werden gern für die Technik herangezogen. Samples können auch in einer veränderten Art wiedergegeben werden was soweit gehen kann, dass sie nicht mehr wiedererkannt werden. In einem solchen Fall stellt sich jedoch die Frage der Zulässigkeit im Rahmen des § 51a UrhG nicht mehr, denn dann fehlt es bereits an einer Nutzung des urheberrechtlich geschützten Ausgangsmaterials (insofern zutreffend EuGH, a.a.O.). Wahrscheinlich bedarf es einer neuen Generation von Richtern, die mit den betroffenen Musikrichtungen besser vertraut sind, bis Sampling sich auch im Urheberrecht als allgemein anerkanntes Stilmittel durchsetzt und einen vergleichbaren Rang einnimmt, wie das Zitat, was mit Hinblick auf die Freiheit geistiger und kultureller Entwicklung wünschenswert wäre. Bis es soweit ist, wird der Bereich des Samplings weiterhin eine Grauzone bleiben. Wer hier auf Nummer sicher gehen will, wird wohl in den sauren Apfel beißen und Lizenzen für verwendete Samples erwerben müssen. Die Mutigeren können sich im Streifall nun neben der Meinungs- und Kunstfreiheit auch auf den neu geschaffenen § 51a UrhG berufen, mit dem der Gesetzgeber, wie oben dargelegt, ausdrücklich auch den Bereich des Samplings erfasst hat.

IV. Interessenabwägung

Sowohl aus den oben zitierten Entscheidungen als auch aus der Gesetzesbegründung ergibt sich die Notwendigkeit, eine Interessenabwägung vorzunehmen. Die Verwendung geschützter Inhalte zu den Zwecken der Parodie, Karikatur und Pastiche setzt voraus, dass der Originalurheber (des verwendeten Werkes) nicht in seiner Verwertung unangemessen benachteiligt wird. Insbesondere darf die Parodie, Karikatur oder der Pastiche nicht an die Stelle des Ausgangswerk treten und dieses quasi ersetzen. Hier liegt der entscheidende Knackpunkt dieser Regelung. Bei der Beurteilung soll neben herkömmlichen Erwägungen z.B. auch eine Rolle spielen, wie viel Zeit zwischen dem Beginn der Verwertung des Originalwerkes und der Veröffentlichung der Parodie, Karikatur oder des Pastiches liegen. Je kürzer der zeitliche Abstand, desto eher soll eine unangemessene Benachteiligung angenommen werden können, denn dem Originalurheber müsse eine angemessene Zeit zur Verwertung verbleiben. Dieses Argument ist jedoch insbesondere im Bereich der Meinungsfreiheit kritisch zu hinterfragen, denn hier kann ein zu großer zeitlicher Abstand auch dazu führen, dass z.B. eine Parodie nicht mehr funktioniert, weil das betroffene Thema längst in Vergessenheit geraten ist. Mit dem Zeitkriterium als Ausschlusselement ist somit eher Zurückhaltung geboten, bzw. ein genauer Blick erforderlich, der die Verwirklichung der Grundrechte, denen § 51a UrhG dient, im Auge behält.

Stand: 05/2023